Natur & Umwelt
Biodiversität
Grundlagendaten zur Bewältigung der aktuellen Biodiversitätskrise wichtig
Unter Wissenschaftler*innen ist die Tatsache unumstritten, dass wir uns bereits mitten in der 6. großen Aussterbewelle der Erdgeschichte befinden – der ersten vom Menschen verursachten. Um Veränderungen der Biodiversität beobachten zu können, werden Daten zu Verbreitung und Häufigkeit von Pflanzen-, Pilz- und Tierarten sowie ein umfassendes, regelmäßiges Monitoring benötigt. Zu diesem Thema tagte die österreichweite Biodiversitätsinitiative „Austrian Barcode of Life“ (ABOL) Ende November zum 8. Mal.
ABOL (Austrian Barcode of Life) ist eine überinstitutionelle Initiative zur Erfassung der genetischen Vielfalt aller in Österreich vorkommenden Pflanzen-, Tier- und Pilzarten mittels DNA-Barcoding, deren Koordination am Naturhistorischen Museum Wien angesiedelt ist und die seit 2014 vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung gefördert wird. ABOL sieht sich als verbindende Plattform zur Förderung von Biodiversitätsforschung, die DNA-Referenzdaten stehen vielfältigen praktischen Anwendungen öffentlich zur Verfügung. "Bestimmen können wir jedoch nur die Arten, zu denen es genetische Referenzdaten gibt - es reicht nicht, die Anwendungen voranzutreiben, wir brauchen auch die Dateninfrastruktur", so Dr. Nikolaus Szucsich, ABOL-Manager am NHM Wien.
Spätestens seit der Covid-19-Pandemie ist die Wichtigkeit von Grundlagendaten für wissenschaftliche Erkenntnisse und faktenbasiertes Handeln von Entscheidungsträger*innen bekannt und derzeit in aller Munde. Was für die Pandemie gilt, gilt auch für andere bedrohliche Herausforderungen unserer Zeit, wie den dramatischen Artenschwund. Wie vom Österreichischen Biodiversitätsrat festgestellt, greifen die politischen Maßnahmen zum Brechen dieser Aussterbe-Welle jedoch auch in Österreich immer noch zu kurz. Die Biodiversität und innovative Methoden ihrer Erfassung standen daher im Fokus der 8. Jahrestagung der Initiative, die vor Kurzem zusammen mit dem 4. Österreichischen Forum zu Biodiversität und Ökosystemleistungen unter dem gemeinsamen Titel „Tage der Biodiversität“ stattfand.
Das vielseitige Vortragsprogramm der diesjährigen ABOL-Jahrestagung beinhaltete sowohl konzeptionelle als auch anwendungsbezogene Studien zum Einsatz von DNA-Barcoding (der standardisierte Ansatz der Artbestimmung über einen Vergleich von bestimmten, artspezifischen Gensequenzen mit Referenzsequenzen in entsprechenden Datenbanken). Das Spektrum reichte von globalen Monitoring-Projekten, über das Finden von Coronaviren in Abwässern, von parasitischen Würmern in Badeseen oder illegal verwendeten Hai-Produkten im Nahrungsmittelhandel, bis hin zu Untersuchungen der Ernährungsstrategie bei Käfern und zur Rekonstruktion der historischen Pflanzendecke aus See-Sedimenten.
Im Hauptvortrag wies Otso Ovaskainen, PhD (Universität Helsinki, Leiter des internationalen Projekts „Lifeplan“) auf die Bedeutung von Grundlagendaten im Biodiversitätsmonitoring hin. Global gesehen sei ein Großteil der bekannten Arten molekulargenetisch nicht erfasst, viele sogar noch gänzlich unbekannt. Es gibt für artenreiche Gruppen, wie etwa Hautflügler oder Zweiflügler, keine vollständigen Artenlisten für Österreich, noch lückenhafter sind die genetischen Daten. So fehlen für die meisten Arten von Europa und Österreich qualitativ hochwertige, genetische Referenzdaten.
Nun bedarf es einer umfassenden Finanzierung der DNA-Referenzdaten für die etwa 75.000 in Österreich vorkommenden Arten von Tieren, Pflanzen und Pilzen. Österreich hat sich zwar bereits in der aktuellen Biodiversitätsstrategie 2020+ zur Erhebung der Artenvielfalt verpflichtet, hinkt jedoch im internationalen Vergleich stark hinterher. Nach acht Jahren ABOL sind der DNA-Barcoding-Ansatz und die ABOL-Partner bereit, den notwendigen Beitrag für eine Trendumkehr des globalen Biodiversitätsverlustes zu leisten. Die größte Herausforderung liegt aber in der Schaffung der Basisdaten, deren unzureichende Finanzierung ein erfolgreiches Monitoring gefährdet. Der neu geschaffene Biodiversitätsfonds könnte hier eine Möglichkeit der staatlichen Förderung darstellen. Eine substanzielle finanzielle Unterstützung ist nötig, um die fehlenden DNA-Barcodes zu erstellen und so zu einer raschen Trendumkehr in der Biodiversitätskrise beitragen zu können.
Fotos: NHM, Pexels/Saad Alaiyadhi
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