Natur & Umwelt
Internationales Forscherteam berichtet über den Fund
Asteroidenstaub im „Dinosaurier-Killer“ Krater gefunden
Dieser Fund ist das letzte Stück im Puzzle nach der Entdeckung von meteoritischen Spuren in Gesteinen der Kreide-Paläogen-Grenze vor etwa 40 Jahren, das zur Erklärung des Massensterbens durch einen Asteroideneinschlag führte.
Vor 66 Millionen Jahren hat ein katastrophales Massenaussterben das Leben auf der Erde völlig verändert. Mehr als zwei Drittel aller damals lebenden Arten starben aus, unter anderem die Dinosaurier, oder auch die Ammoniten. Die Säugetiere überlebten das Massensterben und hatten nach dem Verschwinden der Saurier eine ökologische Nische. Es gab viele Hypothesen zur Erklärung dieses Massensterbens am Ende der Kreidezeit. Erste konkrete Hinweis auf eine Erklärung wurde Ende der 1970er Jahre in Sedimentschichten in der Nähe von Gubbio in Italien und Caravaca in Spanien gefunden, wo eine sehr dünne Schicht aus Tonmineralien die Grenze zwischen der Kreidezeit und dem Paläogen markiert. Vor etwas mehr als 40 Jahren wurden in diesen „Grenzschichten“ ungewöhnlich hohe Konzentrationen von Iridium und anderen sogenannten Platinmetallen gefunden - seltene Metalle, die in relativ hohen Konzentrationen in Meteoriten, aber in sehr geringen Konzentrationen in Gesteinen der Erdoberfläche vorkommen. Diese Tonschicht wurde damit erklärt, dass sie sich aus Staub gebildet hat, der durch den Einschlag und die Verdampfung eines etwa 12 km großen Asteroiden entstanden ist. Dieser Befund wurde in den frühen 1990er Jahren durch die Entdeckung des etwa 200 km großen Einschlagskraters Chicxulub, der unter der Halbinsel Yucatán in Mexiko begraben liegt, bestätigt.
Jetzt, mehr als 40 Jahre später, haben Wissenschaftler*innen das letzte Beweisstück gefunden, das das globale Massenaussterben mit dem Asteroideneinschlag in Verbindung bringt. Ein internationales Forscherteam um Wissenschaftler*innen der Vrije Universiteit Brussel (Belgien) in Zusammenarbeit mit Wiener Forscher*innen hat die globale Asteroidenstaubschicht bis ins Innere des Chicxulub-Einschlagskraters zurückverfolgt. "Der Kreis ist nun endlich geschlossen", kommentiert Dr. Steven Goderis, Professor für Geochemie an der Vrije Universiteit Brussel und Hauptautor der Studie.
Im Mai 2016 wurde ein diskontinuierlicher Ring von Hügeln, der das Zentrum der Chicxulub-Einschlagstruktur in Mexiko umgibt, ein sogenannter Peak-Ring, von Teams des International Ocean Discovery Program (IODP) und des International Continental Scientific Drilling Program (ICDP) Expedition 364 erbohrt. Im Team der Wissenschafter*innen, die die Bohrung und die Klassifizierung der Bohrproben durchgeführt haben, ist Dr. Ludovic Ferrière, Kurator der Meteoriten- und Impaktitsammlung am Wiener Naturhistorischen Museum. Dr. Christian Köberl, Professor für Impaktforschung und Planetare Geologie an der Universität Wien, hat als „Principal Investigator“ des ICDP-Projektteiles und „Co-Investigator“ des IODP-Projektteils mitgewirkt.
Bei dieser Bohrung wurden ca. 835 Meter Gestein an die Oberfläche gebracht, die eine enorme Menge an neuen Informationen über die Vorgänge in der Kraterregion vor, während und unmittelbar nach dem Asteroideneinschlag lieferten. Details der Ablagerungen in dem Zeitintervall, in dem der Krater von einer dynamischen Umgebung mit zurückkehrendem Ozeanwasser und Tsunami-Wellen zu viel ruhigeren Bedingungen überging, sind im Bohrkern gut dokumentiert. Basierend auf einer umfangreichen geochemischen Analyse dieses Teils des Bohrkerns wurden die höchsten Konzentrationen von Iridium in einem tonreichen Intervall in Sedimenten gefunden, die den inneren Kraterring bedecken, direkt unter Kalkstein aus dem frühesten Paläogen.
"Der Fund der Iridium-Anomalie am "Tatort", dem Chicxulub-Einschlagskrater, mag für die meisten Österreicherinnen und Österreicher anekdotisch und zeitlich weit weg erscheinen, doch die dünne Tonschicht, die dieses globale Massenaussterben markiert, kommt auch in Österreich vor, nämlich in der Region Gams in der Steiermark. Damals wurde das aus dem Krater geschleuderte, geschmolzene und kondensierte Material im heutigen Österreich abgelagert", erklärt Ludovic Ferrière.
Da Iridium ein Element ist, das in diesem Zusammenhang aufgrund seiner geringen Konzentrationen ziemlich schwierig zu messen ist, wurden in der neuen Arbeit Ergebnisse von vier unabhängigen Labors aus der ganzen Welt kombiniert. Daran beteiligt waren auch die Geochemiker der Universität Wien, neben Christian Köberl noch Dr. Toni Schulz und der Dissertant Jean-Guillaume Feignon. In den Wiener Laboratorien wurden nicht nur die Konzentration des seltenen Elements Iridium gemessen, sondern auch die Gehalte der anderen Platinmetalle, und die Isotopenverhältnisse des selteneren Platinmetalls Osmium, welche für meteoritische Kontaminationen charakteristisch sind.
„Unsere Messungen konnten eindeutig zeigen, dass innerhalb des Kraters eine Schicht erhalten ist, die Iridium und andere Platinmetalle enthält“, erklärt Christian Köberl von der Universität Wien. „Dieser meteoritische Staub hat sich nach dem Einschlag viele Jahre in der Atmosphäre gehalten, und ist erst einige Jahrzehnte nach dem Einschlagsereignis wieder in den Krater zurückgefallen“. Damit stellt die atmosphärische Ablagerung des Asteroidenstaubs eine wichtige zeitliche Einschränkung für die Ablagerung des Kratergesteins direkt unter dieser Iridiumschicht dar.
Der Erhalt dieser meteoritischen Staubschichte innerhalb des Kraters bringt den unbestreitbaren Beweis, dass der Einschlag und das Aussterben eng miteinander verbunden sind. Die Entdeckung einer solch gut definierten Iridium-Anomalie im Chicxulub-Krater wird zweifellos auch die Forschung zum Kreide-Paläogen-Massenaussterben neu beleben.
Die folgenden Universitäten und Institute waren an der Studie beteiligt: Vrije Universiteit Brussel, University of Padova, Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology, Naturhistorisches Museum Wien, Lund University, University of Notre Dame, Université Libre de Bruxelles, Katholieke Universiteit Leuven, Arizona State University, University of Vienna, Universität zu Köln, Ghent University, Utrecht University, Tokyo Institute of Technology, Florida State University, HNU Neu-Ulm University of Applied Sciences, Lunar and Planetary Institute, Durham University, Pennsylvania State University, University of Texas at Austin, Imperial College London, Vrije Universiteit Amsterdam, and University of Alaska Fairbanks.
Zum wissenschaftlichen Artikel:
S. Goderis, H. Sato, L. Ferrière, B. Schmitz, D. Burney, P. Kaskes, J. Vellekoop, A. Wittmann, T. Schulz, S. M. Chernonozhkin, P. Claeys, S. J. de Graaff, T. Déhais, N. J. de Winter, M. Elfman, J.-G. Feignon, A. Ishikawa, C. Koeberl, P. Kristiansson, C. R. Neal, J. D. Owens, M. Schmieder, M. Sinnesael, F. Vanhaecke, S. J. M. Van Malderen, T. J. Bralower, S. P. S. Gulick, D. A. Kring, C. M. Lowery, J. V. Morgan, J. Smit, M. T. Whalen, IODP-ICDP Expedition 364 Scientists, Globally distributed iridium layer preserved within the Chicxulub impact structure. Science Advances 7 (2021) eabe3647; doi.org/10.1126/sciadv.abe3647
https:advances.sciencemag.org/content/7/9/eabe3647
Pressematerialien zum Download finden Sie unter folgendem Link:
https:www.nhm-wien.ac.at/presse/pressemitteilungen2021/asteroidenstaub
Foto: Dave Herring on Unsplash
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