Natur & Umwelt
NHM Wien stellt aus
33 neue Schneckenarten im Museum entdeckt
Museumssammlungen erweisen sich dadurch erneut als enorm wichtige Informationsspeicher für die Erfassung der Biodiversität.
Vor rund 15 Millionen Jahren war das östliche Österreich von einem tropischen Meer bedeckt, das sich von Wien bis in den Kaukasus erstreckte. Ein globales Klimaoptimum ermöglichte das Wachstum von Korallenriffen bis ins Burgenland. Hunderte Muscheln, Korallen und Fische besiedelten die vielfältigen maritimen Lebensräume. Die Ablagerungen des Meeres sind heute vielfach verbaut und unter dem Asphalt der Städte verschwunden. Die meisten Funde stammen daher schon aus dem 19. Jahrhundert, als hunderte Steinbrüche und Sandgruben im gesamten Gebiet der ehemaligen Habsburger Monarchie betrieben wurden. Die Fossilien gelangten an das Naturhistorisches Museum, wo sie inventarisiert wurden und bis heute in der Sammlung der Geologisch-Paläontologischen Abteilung kuratiert werden.
Ein vom Naturhistorischen Museum initiiertes Projekt widmete sich nun der Erforschung der Schnecken dieses verschwundenen Meeres. Die Revision eines kleinen Teils der riesigen Sammlungen erbrachte überraschende Ergebnisse. Lange Zeit war unklar, woher die tropische Vielfalt eigentlich stammte. Da es zu dieser Zeit keine Meeresverbindung zum Indischen Ozean und zum Roten Meer mehr gab, war diese Route nicht passierbar. Erst durch die kritische Bearbeitung konnte nun geklärt werden, dass viele der Schnecken ihren Ursprung vor den Küsten Westafrikas hatten. Mit den steigenden Wassertemperaturen drangen sie weit nach Norden vor und ersetzten die einheimischen Faunen. Sie sind daher ein Beispiel für die möglichen Folgen des heutigen Klimawandels.
Besonders unerwartet war, dass rund ein Drittel der Arten bisher unentdeckt und unbeschrieben war, obwohl sie seit mehr als 150 Jahren in den Sammlungen lagen. Für 33 Arten und 9 Gattungen mussten neue Namen geschaffen werden. Eine der Arten widmeten die Forscher der Stadt Wien. Die kleine Täubchenschnecke erhielt den Namen Mitrella viennensis und lebte in den Seegraswiesen von Wien und Baden.
„Unsere Studie belegt anschaulich die Bedeutung naturwissenschaftlicher Sammlungen für die Erfassung der vergangenen und modernen Biodiversität. Die Schätze der Museen sind noch längst nicht alle gehoben, aber es braucht Spezialist*innen, um sie überhaupt erkennen zu können“, so Dr. Mathias Harzhauser, Studienleiter und Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung am NHM Wien.
Artikel:
Die Ergebnisse wurden in einer Serie von Publikationen veröffentlicht:
Harzhauser, M. & Landau, B. 2019. Turritellidae (Gastropoda) of the Miocene Paratethys Sea with considerations about turritellid genera. Zootaxa, 4681, 1-136 https:www.mapress.com/zt/article/view/zootaxa.4681.1.1/0
Harzhauser, M., Landau, B. 2021. An overlooked diversity – the Costellariidae (Gastropoda) of the Miocene Paratethys Sea. Zootaxa, 4982, 1-70. https:www.mapress.com/zt/article/view/zootaxa.4982.1.1
Harzhauser, M., Landau, B. 2021. The Mitridae (Gastropoda) of the Miocene Paratethys Sea. Zootaxa, 4983, 1-72. https:mapress.com/zt/article/view/zootaxa.4983.1.1
Harzhauser, M., Landau, B. 2021. The Columbellidae (Gastropoda, Buccinoidea) in the Miocene Paratethys Sea – striking diversity of a neglected group. Zootaxa, 5025, 1-75. https:doi.org/10.11646/zootaxa.5025.1.1
Foto: © NHM Wien, Alice Schumacher
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