Zusammenbruch des Systems droht

Gesundheit & Familie

24-Stunden-Pflege

Zusammenbruch des Systems droht

20. Apr. 2020 | St. Pölten

In den Zeiten vor der Covid-Krise pendelten zirka 70.000 Pflegerinnen und Betreuerinnen für die 24-Stunden-Pflege von den Nachbarländern nach Österreich, zumeist im zweiwöchigen Wechsel mit Kolleginnen. Die meisten dieser Personen kommen aus Rumänien, die zweitmeisten aus der Slowakei, gefolgt von Ungarn, Tschechien, Kroatien und in geringer Zahl aus Slowenien. 

„Dieses System droht in den kommenden zwei Wochen zusammenzubrechen, da der Grenzübertritt nach Österreich aufgrund der Corona-bedingten Reisebeschränkungen nicht mehr legal stattfinden kann“, warnen Christian Fazekas, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin (ÖGPPM) von der Med Uni Graz, und Edgar Wutscher, der Bundesobmann der Sektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer und Praktischer Arzt in Sölden. 

„Die Mehrzahl der Pflegerinnen war durchaus bereit, länger als ursprünglich geplant bei den von Ihnen betreuten Personen ihren Dienst zu versehen. Diese Bereitschaft stößt zunehmend an ihre natürliche Grenze. Die Pflegerinnen wollen in ihre Heimat zurück“, sagt Fazekas: „Das System der durchgehenden Pflege betagter Angehöriger zuhause könnte in den kommenden zwei Wochen weitgehend kippen.“ Verschiedene Betreiber von heimischen Agenturen würden bereits seit Wochen eindringlich warnen. Edgar Wutscher konkretisiert: „Die Pflegerinnen, die von ihnen betreuten Personen und deren Angehörige sind in einer akuten psychosozialen Notsituation, wobei für die Personen mit Pflegebedarf natürlich auch massive gesundheitliche Belastungen und Gefahren drohen. Fazekas ergänzt: „Bereits aufgrund des aktuellen Drucks und der Verunsicherung ist mit einer Zunahme an psychischen Störungen, etwa in den Bereichen Angst, Panik und Depression sowie mit einer Verschlechterung des gesamten gesundheitlichen Zustandes, beispielsweise bei Herz-Kreislauferkrankungen oder durch Entgleisung bei Diabetes zu rechnen.“ „Wir dürfen auf diese besonders vulnerable Gruppe nicht vergessen und müssen das noch offene Zeitfenster für Lösungen nützen“, mahnen der Praktische Arzt und der ÖGPPM-Präsident unisono. 

Für eine vernünftige Regelung wären regelmäßige und konsequente Testungen bei den 24-Stunden-Betreuerinnen in Österreich und im benachbarten Ausland der zentrale Ansatzpunkt, um legale Ein- und Ausreise ohne Quarantäne mittels Reisegenehmigungen sicherstellen zu können. „Gesundheitsministerium und Außenamt sollten diesen Vorschlag prüfen und mit den genannten Nachbarländern eine entsprechende Einigung erzielen - und das möglichst schnell“, sagt Fazekas.

Bundesweite Lösungen erscheinen unverzichtbar, um die Absicherung der 24-Stunde-Pflege in Österreich während der Corona-Krise flächendeckend zu gewährleisten. Die bislang unternommenen Bemühungen zur Stabilisierung der Situation werden angesichts der erforderlichen bundesweiten Zahl an Pflegekräften dafür nicht ausreichen, warnt Wutscher: „Die Gefahr ist groß, dass bislang daheim betreute Personen vielerorts ihr Zuhause verlassen müssen, einem höheren Risiko einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 ausgesetzt werden, und Allgemeinmediziner, Pflegeheime und Krankenhäuser auf kurz oder lang die Misere eines gekippten Versorgungssystems in der 24-Stunden-Pflege zusätzlich auffangen müssten. Niemand kann das wirklich wollen.“

Foto: Pixabay

Text: (APA-OTS)/ÖGPPM, 20. Apr. 2020

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