Gesellschaft & Kommunales
„Respekt ist Teil der Lösung“
Stadtrat Hacker im direkten Austausch mit Menschen mit Behinderung
Es ist seit vielen Jahren der Grundgedanke der Veranstaltung „JedeR für JedeN“ der Wiener Gesundheitsförderung, den Austausch zwischen Menschen mit und ohne Behinderung zu ermöglichen sowie das gegenseitige Verständnis und den Respekt für die Bedürfnisse und Anliegen der jeweils anderen zu fördern. Eine große Publikumsveranstaltung im Wiener Rathaus ist heuer nicht möglich. Umso wichtiger war und ist es der Wiener Gesundheitsförderung, den Dialog und den unmittelbaren Austausch zu ermöglichen. Den Beginn machte am Mittwoch eine Podiumsdiskussion zum Thema „Spezielle Herausforderungen für Menschen mit Behinderungen in Corona-Zeiten“. Die Veranstaltung konnte via Livestream verfolgt werden und steht ab 12.10.2020 auch on Demand zur Verfügung. Sie war gleichzeitig Auftakt für den „Monat der Inklusion“, in dem ab Mitte Oktober zwei Mal pro Woche Gesprächsrunden zu spezifischen Themen organisiert werden.
Im Mittelpunkt der Diskussion am Mittwoch standen die Erfahrungen, die Sorgen und Auswirkungen der Sicherheitsmaßnahmen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen. Für Peter Hacker, Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport, mehr als nachvollziehbar: „Manche Maßnahmen zu treffen, war nicht leicht. Die Verordnung zu den Besuchsbeschränkungen in Spitälern und Pflegewohnhäusern war wohl eine der schwierigsten Entscheidungen bisher. Aber es ist für mich noch immer die richtige Entscheidung.“ Denn in einer solchen Gesundheitskrise braucht es klare Entscheidungen und klare Kommunikation darüber. Er halte nichts von „Angst schürenden Medieninszenierungen, aber wir müssen dem Virus mit Respekt begegnen. Respekt ist es, der uns vorsichtig sein lässt.“
Für Oswald Föllerer vom Selbstvertretungszentrum Wien war zu Beginn die größte Herausforderung, „den Austausch wieder ins Laufen zu bringen. Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten waren mit den Möglichkeiten der Unterhaltung mit Internet, Handy und Computer nicht vertraut. Aber mit viel Kraftanstrengung und Hilfe von uns ist es rasch gelungen, hier neue Fähigkeitenaufzubauen.“ Auf verstärkte Kommunikation hat auch der Fonds Soziales Wien ab März gesetzt, so Robert Bacher, Fachbereichsleiter Behindertenarbeit, Mobilität und Beratung: „Uns war sehr schnell klar, dass es extrem wichtig ist, den Kontakt aufrecht zu erhalten – zu den Kundinnen und Kunden, aber auch zu den Trägereinrichtungen.“ Eine Plattform hat vor allem die Trägereinrichtungen mit wichtigen Informationen und Lösungsansätzen versorgt.
Ideenaustausch – Gemeinsam zum Wohle der BewohnerInnen Ulrike Klein vertritt als Juristin im Verein VertretungsNetz die Interessen von Bewohnerinnen und Bewohnern u.a. von Wohn- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Gerade während des Lockdowns war sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen auch mit Fällen von Freiheitsbeschränkungen konfrontiert, von denen manche überschießend waren: „Einrichtungen sind nach dem Heimaufenthaltsgesetz verpflichtet, Freiheitsbeschränkungen an die Bewohnervertretung zu melden. Das gilt auch während einer Pandemie. Es ist wichtig, um diese Möglichkeiten zu wissen und notfalls auch auf die eigenen Rechte zu pochen. Genau dafür sind wir da und unterstützen gerne.“
Betroffene und Angehörige wünschen sich auch, dass die Beteiligung von Angehörigen an der alltäglichen Pflege und Betreuung wieder möglich wird. Und sie orten hier unterschiedliche Vorgehensweisen – auf Trägerebene wie auch auf Einrichtungsebene. Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrates, betrachtet es als notwendig, dass mit allen Playern gemeinsam ein Rahmenplan mit individuellen Lösungsmöglichkeiten erstellt wird: „Es muss unter Einbindung der Menschen mit Behinderungen nach dem Prinzip 'Nicht über uns ohne uns' ein Plan B erarbeitet werden und idealerweise können Menschen mit Behinderungen auch in die Entscheidungen der Krisenstäbe eingebunden werden." Dennis Beck, Geschäftsführer der Wiener Gesundheitsförderung, weiß – auch aus persönlicher Erfahrung – um „das Dilemma, in das uns das Virus bringt. Es braucht bestimmte Maßnahmen, um Leben zu schützen. Gleichzeitig wird das Leben dadurch nicht unbedingt besser. Es gibt sie bisher nicht, die eine richtige Lösung.“
Den Wunsch, als Interessenvertretung in die Entscheidungen eingebunden zu werden, kann Beck nachvollziehen, hält es aber für sinnvoll, dass ein Krisenstab mit Expertinnen und Experten besetzt ist. „Deren Aufgabe ist es, die Politik in ihren Entscheidungen beraten. Es könnte überlegt werden, im Zuge dieser Beratungen auch Betroffene zum Dialog einzuladen.“
Monat der Inklusion – „Beim Essen kommen die Leut z´samm“
Die Diskussionsrunde gilt als Auftakt für den Monat der Inklusion, organisiert von der Selbsthilfe-Unterstützungsstelle SUS Wien in der Wiener Gesundheitsförderung. Ab 20. Oktober gibt es zwei Mal pro Woche die Möglichkeit, in einer entspannten und sicheren Atmosphäre, Angebote der Behindertenarbeit kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen und mögliche Verbesserungen zu diskutieren. Alle Veranstaltungen finden in den Räumlichkeiten des CBMF (Club behinderter Menschen und ihrer Freunde) statt, der Besuch ist kostenlos, eine Anmeldung ist – nicht zuletzt wegen der Einhaltung aller vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen – unbedingt notwendig. Details zu den Terminen, zum Programm und zu den Einrichtungen, die jeweils die Patronanz für die Veranstaltungen übernehmen, folgen rechtzeitig.
Quelle: APA-OTS
Fotocredit: Wiener Gesundheitsförderung
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