Politik & Wirtschaft
Rede zum Nationalfeiertag
Bundeskanzler Kurz: "Die nächsten Monate werden für uns alle ein Kraftakt"
"Am heutigen Tag feiern wir die Unabhängigkeit und die Neutralität unseres Landes. Nach dem Grauen zweier Weltkriege begann mit der Unabhängigkeit 1955 die große Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik. Wir alle, die wir im Österreich von heute leben dürfen, sollten uns stets bewusst sein, wie viel in dieser Zeit gelungen ist. Wir sollten uns vor Augen führen, wie gut es uns heute geht. Der Friede, die Freiheit und der Wohlstand, den wir oft als selbstverständlich erachten, sind in Wahrheit alles andere als das. Dies zeigt ein Blick in viele andere Regionen der Welt und auch in unsere eigene Geschichte. Denn der Weg vom schwachen Österreich, hin zur starken Republik, war kein einfacher", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner Rede zum Nationalfeiertag bei der Angelobung der Rekruten am Heldenplatz in Wien.
Entlang dieses Weges gäbe es viel, wofür man dankbar sein sollte, etwa für die großzügige Unterstützung der europäischen und internationalen Partner, den Zusammenhalt in der Bevölkerung über alle Parteigrenzen hinweg und die harte Arbeit der vergangenen Generationen, die den Wiederaufbau nach dem Krieg geschafft hätten, so der Kanzler.
Auf all diese Errungenschaften dürfe man heute aufbauen, aber: "Jede Generation hat ihre ganz besondere Aufgabe, um unserem Land zu dienen und unser Lebensmodell auch in die Zukunft zu tragen. Gerade die Coronapandemie und die damit einhergehende Weltwirtschaftskrise erinnern uns massiv daran." Durch einen gemeinsamen Kraftakt sei Österreich bisher verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen, aber mit den nächsten schweren Monaten stehe eine Belastungsprobe für jeden Einzelnen bevor.
Insbesondere als Regierungschef gehe ihm diese Situation sehr nahe, betonte Sebastian Kurz. "In der Pandemie gibt es viele Zahlen und täglich neue Statistiken. Aber hinter jeder Zahl und Statistik stehen unzählige Menschen, unzählige einzelne Schicksale", erinnerte der Bundeskanzler.
"Auch wirtschaftlich ist die Situation ein Drama. Einige Branchen sind fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Reisewarnungen quer durch Europa bedeuten, dass sich manche Tourismusbetriebe überlegen müssen, ob es Sinn macht, diese Saison aufzusperren oder nicht. In den Betrieben sind oft ganze Orte beschäftigt, ganz gleich ob als Koch, Kellner, an der Rezeption oder als Skilehrer. Wenn der Betrieb zu bleibt, dann bedeutet das Arbeitslosigkeit und die Bedrohung der Existenz für Menschen in ganzen Regionen", sagte der Regierungschef.
"Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ich weiß, diese Krise verlangt uns allen viel ab. Es gibt eine kleine Minderheit an Menschen in unserem Land, die erschöpft ist und von Corona nichts mehr hören will. Als Staatsbürger möchte ich all diesen Menschen sagen: Auch ich möchte keine Maske mehr tragen, keine Einschränkungen mehr erdulden müssen und Feste feiern, wenn mir danach ist. Aber als Regierungschef ist es meine Aufgabe, Ihnen nicht das zu sagen, was Sie gerne hören möchten, sondern, was die Realität ist", erklärte Bundeskanzler Kurz. "Daher muss ich Ihnen, auch am heutigen Nationalfeiertag, leider sagen: Wir werden noch viele Monate mit diesem Virus leben müssen. Wir werden zusammenhalten müssen. Und wir werden durchhalten müssen, bis ein Impfstoff eine schrittweise Rückkehr zur Normalität möglich macht."
Es stimme, dass eine Corona-Infektion für viele Menschen mild verlaufe, dass manche gar keine Symptome verspüren. Es stimme aber auch, dass manche Erkrankte einen so schweren Krankheitsverlauf hätten, dass es einer intensivmedizinischen Behandlung bedürfe. "Als Republik Österreich können und werden wir nicht zulassen, dass unsere Intensivkapazitäten überfordert werden. Wir können und werden nicht zulassen, dass Menschen, die eine Behandlung brauchen, diese nicht erhalten können."
Wenn man heute in andere Länder blicke, sei zu beobachten, dass auch diese versuchen würden, diese Bedrohung abzuwenden. Frankreich und Spanien, die Niederlande und Belgien, aber auch Nachbarn wie Tschechien und Slowenien seien mittlerweile zum zweiten Mal im Lockdown. "Auch bei uns in Österreich steigen die Ansteckungszahlen exponentiell. Daher bitte ich Sie am Nationalfeiertag: Leisten wir alle unseren Beitrag und tun wir das, was notwendig ist, damit wir gut durch die nächsten Monate kommen", appellierte Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner Rede.
"Wenn Frust, Unmut oder Wut stärker werden: Erinnern wir uns daran, dass diese Krise nicht von Dauer ist und dass es ein Ende geben wird. Ganz besonders am Nationalfeiertag bitte ich Sie: Halten wir einen Moment inne und machen wir uns bewusst, dass viele Menschen diese Krise in anderen Teilen der Welt erleben müssen, und das unter ganz anderen Bedingungen. Wir alle können uns glücklich schätzen, in unserem Heimatland Österreich zu leben – mit einem starken Gesundheitssystem, einem robusten Sozialstaat und der Finanzkraft, um Notsituationen abzufedern", erinnerte der Kanzler an die Lage in Österreich.
Gerade in Krisenzeiten sehe man, "wie wichtig der Beitrag eines jeden Einzelnen ist – etwa jener, der Mitarbeiter im Gesundheitssystem, die in dieser Krise übermenschliches leisten, der Polizei, die unter schweren Umständen für unsere Sicherheit sorgt oder der Mitarbeiter in der kritischen Infrastruktur, die für uns alle ihren Dienst versehen", so Sebastian Kurz. "Ganz besonders sieht man es auch bei den Soldatinnen und Soldaten, denn das Österreichische Bundesheer hat in dieser Krise Großes geleistet. Die letzten Monate haben uns wieder einmal gezeigt: Ohne ein funktionierendes Bundesheer sind Krisen wie diese nicht zu bewältigen", bekräftigte der Bundeskanzler. Daher werde das Bundesheer im nächsten Jahr das höchste Budget seiner Geschichte haben. "Wir werden alles tun, um dieses Budget weiter kontinuierlich zu steigern. Das ist ein wichtiger Schritt zur Sicherstellung einer umfassenden Landesverteidigung."
Abschließend betonte der Bundeskanzler: "Die nächsten Monate werden für uns alle ein Kraftakt. In unserer Bundeshymne heißt es: Mutig in die neuen Zeiten, Frei und gläubig sieh uns schreiten, Arbeitsfroh und hoffnungsreich. Liebe Österreicherinnen und Österreicher: Lassen Sie uns gemeinsam mutig und hoffnungsreich in die nächsten Monate gehen – gerade, weil wir wissen, dass diese Monate keine einfachen werden. Vielen Dank und einen schönen Nationalfeiertag! Es lebe die Republik Österreich!"
Fotos: BKA/Dragan Tatic
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