Zwischen Alten Meistern und der Kunst des Zitats

Kultur

ALBERTINA 2021

Zwischen Alten Meistern und der Kunst des Zitats

25. Jän. 2021 | Wien

Das heurige Ausstellungsjahr von ALBERTINA und ALBERTINA MODERN stellt Frauen mit zwei Personalen in den Vordergrund, bringt Modigliani erstmals nach Österreich, fasst ein halbes Jahrtausend Landschafts- und Stadtmalerei zusammen und zelebriert mit The 80s. Anything Goes den wichtigsten Umbruch der Kunst in den letzten 50 Jahren.

Ein Ausstellungsprogramm in Zeiten der Pandemie
Mit ihrem aktuellen Ausstellungsprogramm setzt die ALBERTINA besonders auf ihren Eigenbestand: „Die ALBERTINA hat die Möglichkeit, den Menschen aus ihren eigenen umfassenden Beständen wunderbare Kunst zu zeigen. Ich möchte unseren Museumsbetrieb damit ein Stück unabhängig von den derzeitigen wechselnden Krisenszenarien machen: Mit einer Immunisierung der österreichischen Bevölkerung ist allzu bald nicht zu rechnen. Ich fürchte, nicht vor dem Spätherbst. Darüber hinaus halte ich es für keineswegs ausgeschlossen, dass wir weitere Lockdowns im ersten Halbjahr erleben werden. Daher mussten wir für eine Unabhängigkeit des Ausstellungsprogramms von Reisebeschränkungen und Lockdowns sorgen. Bis zum Herbst werden wir unsere Ausstellungen weitgehend aus eigenen Sammlungen bestreiten. Die jahrelange Arbeit macht sich hier bezahlt, denn die ALBERTINA kann auch dann mit Kunst begeistern, wenn es unvorhergesehene Reiserestriktionen, Grenzschließungen und logistische Herausforderungen gibt“, so ALBERTINA-Direktor Klaus Albrecht Schröder.

Das diesjährige ALBERTINA-Programm biete trotz der Umstände überaus spannende Highlights. Der künftige Qualitätserhalt heimischer Kultur sei aber auch von mehr Sicherheit abhängig: „Was wir brauchen, ist mehr Klarheit und Antworten auf mögliche Szenarien. Im Wochenrhythmus wechselnde Strategien der Gesundheitsbehörden verunsichern nur unser Publikum zusätzlich. Mir ist es wichtig, dass die Menschen keine Angst davor haben müssen, Kultureinrichtungen zu besuchen. Klar ist auch, dass die heimische Kultur in naher Zukunft weitere finanzielle Unterstützung brauchen wird. Auch in diesem Jahr müssen wir davon ausgehen, dass die Besucherzahlen weit unter jenen liegen, die wir gewohnt waren und die geholfen haben, die Fixkosten eines Museums von Weltrang zu tragen. Ich befürchte, die Strategie eines ‚Freitestens‘ für den Kulturbetrieb wird viele Menschen davon abhalten, Kulturveranstaltungen zu besuchen. Ich bin froh, dass das Tragen einer FFP 2-Maske für die Museen als sicher erachtet wurde. Letztlich wäre dies mit limitierten Besucherkontingenten aber auch eine Lösung für andere Kulturbereiche“, so Schröder.

‚Stadt-Land. Von Albrecht Dürer bis Paul Klee‘
Die Frühjahrsschau der ALBERTINA, von März bis Mai, lädt mit Stadt-Land. Von Albrecht Dürer bis Paul Klee zu einem breit angelegten Spaziergang durch Landschaftsbilder, kuratiert von Eva Michel: von den Anfängen des autonomen Landschaftsbildes und seiner Bahnbrecher, allen voran Albrecht Dürer, spannt sich der Bogen über Brueghel, Rembrandt und das holländische Goldene Zeitalter, von Stadtpanoramen der Renaissance zu nahsichtigen Veduten, von utopischen Entwürfen arkadischer Landschaften bis zum illusionslosen, realistischen Naturbild im Zeitalter der Industrialisierung, von den Bildern der Erhabenheit und des Sublimen bei Caspar David Friedrich über die Schreckensvisionen und Dystopien bei Alfred Kubin bis zu den Kinderträumen verspielter Natur bei Paul Klee. Schlüsselwerke der romantischen Landschaft und österreichische Aquarellkunst des 19. Jahrhunderts wie Jakob und Rudolf von Alts Wien-Ansichten runden die Ausstellung ab.

Alles was in der Kunstgeschichte Rang und Namen hat, geleitet die BesucherInnen durch diese Ausnahme-Schau mit über 150 Hauptwerken: „Dies ist eine Ausstellung der Extreme. Quantitativ schafft sie das nie dagewesene Kunststück, Landschaften der bedeutendsten Künstler, deren Naturbild, aber auch die vom Menschen in die Natur gebaute Stadt über den langen Zeitraum eines halben Jahrtausends zusammenzufassen. Qualitativ stellt sich in der Beobachtung über fünf Jahrhunderte interessanterweise heraus, dass sich die umgebende Natur als Ideallandschaft zur Projektionsfläche gesellschaftlicher Utopien genauso gut eignet, wie zur nüchternen Beschreibung von drastischer Realität, Verfall und Vergänglichkeit. Wir begegnen unserer Umwelt hier auf verschiedenste Weise: heroisch, sublim, antikisiert bis hin zu ihrer Neuerfindung bei Paul Klee“, so Klaus Albrecht Schröder.

Frauen im Mittelpunkt: Xenia Hausner und Michela Ghisetti
Die erste Personale von April bis Juli ist Xenia Hausner zu ihrem 70. Geburtstag gewidmet. „Xenia Hausner ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Künstlerinnen des Landes. Nun, zu ihrem 70. Geburtstag zeigen wir eine eindrucksvolle, starke Personale dieser wunderbaren Malerin“, so Klaus Albrecht Schröder.

In True Lies (kuratiert von Elsy Lahner) legt die ALBERTINA den Schwerpunkt der Schau auf den Aspekt der Inszenierung, der die Werke von Xenia Hausner schon seit ihrer Zeit als Bühnenbildnerin auszeichnet. Die Ausstellung ist retrospektiv angelegt, beginnend mit den ersten frühen Arbeiten aus den 1990er-Jahren bis zu Hausners jüngster, bewegender Exiles-Serie, die von einer beklemmenden Aktualität ist.

Von Oktober 2021 bis Jänner 2022 zeigt die ALBERTINA als erstes Museum in Österreich Michela Ghisetti in einer umfassenden Mid-Career-Retrospektive, die von Antonia Hoerschelmann kuratiert wurde. Das Werk der 1966 im italienischen Bergamo geborenen und seit 1992 in Wien lebenden Künstlerin bewegt sich zwischen den Polen von Abstraktion und Hyperrealismus. Biografisch-emotionale verschwimmen mit philosophisch-kunsttheoretischen Elementen und einer Strenge, die in Humor übergeht.

Fulminanter Herbst: Modigliani
Anlässlich seines 100. Todestages würdigt die ALBERTINA von September 2021 bis Jänner 2022 den italienischen Maler und Bildhauer Amedeo Modigliani mit einer großen Retrospektive, die in mehrfacher Weise eine Premiere darstellt.

Die von Marc Restellini zusammengestellte Ausstellung bringt Modigliani zum ersten Mal nach Österreich. Gezeigt werden seine berühmten Akte und außergewöhnlichen Porträts sowie einige seiner wenigen erhaltenen Skulpturen. Weiters zeigt der Kurator der Ausstellung, der auch Autor des Oeuvre-Katalogs Modiglianis und jahrzehntelanger Modigliani-Forscher ist, den großen Künstler erstmals als einen der führenden Avantgardisten, der die Revolution des Primitivismus bis weit ins 20. Jahrhundert hinein trug: als Gegenspieler von Picasso.

Die Kunst des Zitats oder der Hunger nach Bildern
In der ALBERTINA MODERN führt die zweite große Herbstausstellung The 80s. Anything Goes vor Augen, wie Kunstschaffende in den 1980er Jahren die Kunst neu definieren. Kuratiert wird die von Oktober 2021 bis Februar 2022 zu sehende Ausstellung von Angela Stief. Die 1980er sind eine Zeit visuellen Überflusses, individueller Stile und unendlicher Geschichten. Es ist eine Kunst, die überwältigen will. Der Verlust der Unmittelbarkeit durch eine sich zunehmend virtualisierende Welt, die sich nach und nach zu einer Mediengesellschaft entwickelt, spiegelt sich in der Kunst von Sherrie Levine oder Cindy Sherman deutlich wider. Die zentralen ExponentInnen des Jahrzehnts – Jeff Koons, Jean-Michel Basquiat, Keith Haring und Julian Schnabel – finden sich neben noch zu entdeckenden KünstlerInnen wie Jack Goldstein, Isolde Joham und Julia Wachtel. „Das Zitat, der Zweifel am Original bei Richard Prince oder Elaine Sturtevant, The Art of Sampling bei Gerwald Rockenschaub und David Salle zeigen, wie sehr die 80er Jahre für alle weiteren Entscheidungen der Kunst das wichtigste Jahrzehnt der jüngeren Kunstgeschichte waren“, so Angela Stief.

Drei Fotoausstellungen: Faces, American Photography, Araki
Die ALBERTINA verfügt über eine der wichtigsten Fotosammlungen Europas. Dieser Tatsache tragen 2021 drei Fotoausstellungen Rechnung.

Den Beginn macht von Februar bis Mai Faces in der ALBERTINA: Aufgezeigt wird hier der richtungsweisende Wandel, den die Porträtfotografie im Deutschland der Zwischenkriegszeit erfuhr. In den 1920er- und 30er-Jahren wird das Verständnis des klassischen Porträts erneuert: Aufnahmen dienen nicht mehr der Darstellung der Persönlichkeit eines Menschen, sondern fassen das Gesicht als inszenierbares Material auf, als Spiegel des Standes und der politischen Haltung. Verantwortlich für die Schau, die neben zentralen Werken aus den eigenen Beständen Leihgaben aller großen deutschen Fotosammlungen zusammenführt, ist Walter Moser, Chefkurator der Fotosammlung der ALBERTINA.

Araki, zu sehen von Mai bis September in der ALBERTINA MODERN widmet sich einem der beeindruckendsten zeitgenössischen Fotografen Japans, Nobuyoshi Araki. Chefkurator Walter Moser stellt Arakis grandiose und einflussreiche Serie Sentimental Journey (1971–2017) ins Zentrum der Ausstellung: In dem langjährigen Projekt erhebt er mittels schnappschussartiger und unverblümter Fotos seiner Frau Yoko das eigene Leben zum Thema. Vergleichbar mit einem Tagebuch zeigen die intimen Bilder die Flitterwochen, das Zusammenleben des Paares und den frühen Tod Yokos. Sämtliche Werke stammen aus der Stiftung Jablonka, die der Sammler letztes Jahr der ALBERTINA übergeben hat.

Im Sommer (ALBERTINA, Juni bis August) lädt American Photography zu einem kritischen Blick auf den „American Dream“ ein. Eindrückliche Porträts halten der Gesellschaft auf humorvolle wie kritische Weise einen Spiegel vor. Raffinierte Farbaufnahmen der Konsumkultur wechseln sich mit dynamisch aus der Hüfte geschossenen Street-Fotos der Metropolen ab. Diese Ausstellung ist mit über 200 der bedeutendsten amerikanischen FotografInnen von Lisette Model, William Eggleston über Diane Arbus bis zu Lewis Baltz und Gregory Crewdson die größte Fotoausstellung in der Geschichte der ALBERTINA. Die wichtigen Bestände amerikanischer Fotografie der ALBERTINA werden um zentrale Hauptwerke aus einer der bedeutendsten Privatsammlungen der Welt ergänzt, jener von Trevor Traina, der auch als Botschafter in Wien gewirkt hat.

Ausblick: Ai Weiwei und Basquiat
„Die nächste Zeit wird für uns alle nicht leicht. Ein positiver Blick in die Zukunft und neue Perspektiven helfen der ALBERTINA jedoch, diese Zeit zu meistern. Wer, wenn nicht die Kunst, kann in diesen Zeiten Hoffnung und Freude bieten? Mir ist es auch wichtig, bereits jetzt für die Zeit nach Corona zu planen, damit wir dann gestärkt neu durchstarten können. Ich freue mich, dass wir gemeinsam mit Ai Weiwei im März 2022 die ALBERTINA MODERN endlich gebührend eröffnen können. Ein Jahr später, 2023, dürfen wir uns auf eine große Basquiat-Schau freuen“, so Schröder.

Aufgrund des damaligen Pandemie-Ausbruchs wurde gegen die am 12. März geplante Eröffnungsfeier der MODERN entschieden – der erste Lockdown begann wenige Tage danach. Fast auf den Tag genau zwei Jahre später wird somit die ALBERTINA MODERN am 9. März 2022 in gebührendem Rahmen eröffnet. „Wir haben dafür mit Ai Weiwei einen der wichtigsten zeitgenössischen Künstler gewonnen. Die Ausstellung wird auch eine Premiere für den Künstler sein, da es sich um seine erste große Retrospektive überhaupt handelt. Wir zeigen dabei rund zwei Drittel seiner bekanntesten Werke, der restliche Teil besteht aus neuen, bislang noch nicht ausgestellten Positionen“, erläutert Schröder.

Im Jahr darauf, 2023, lädt die ALBERTINA MODERN zu einer großen Ausstellung der Werke von Jean-Michel Basquiat.

Terminübersicht Faces Die Macht des Gesichts

12. Februar bis 24. Mai 2021

Stadt-Land. Von Albrecht Dürer bis Paul Klee

5. März bis 30. Mai 2021

Xenia Hausner TRUE LIES

30. April - 25. Juli 2021

American Photography 16. Juni bis 29. August 2021

Modigliani – Picasso Revolution des Primitivismus

17. September 2021 bis 9. Januar 2022

Michela Ghisetti 14. Oktober 2021 bis Jänner 2022

ARAKI 28. Mai bis 12. September

THE 80s. Anything Goes 10. Oktober 2021 bis 13. Februar 2022

Quelle: APA-OTS
Fotocredit: Albertina Wien

Text: Albertina, 25. Jän. 2021

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