Kultur
Global Peace Photo Award 2020
Sasan Moayyedi für das „Friedensbild des Jahres“ ausgezeichnet
Der vom österreichischen Friedensnobelpreisträger 1911 Alfred Hermann Fried inspirierte und mit 10 000 Euro dotierte Hauptpreis Peace Image of the Year 2020 ging an den in Teheran lebenden iranischen Fotografen Sasan Moayyedi für seine Reportage über das erstaunliche Schicksal von Salah Saeedpour, der als 15-Jähriger bei einem Familien-Picknick in der iranisch-kurdischen Provinz Marivan nahe der Grenze zum Irak auf eine Landmine tritt und dabei beide Hände verliert. Und beide Augen. Er wird physisch zum Krüppel. Nach den Zahlen, in denen so etwas bemessen wird, ist er seither zu 70 Prozent behindert. Aber er gibt nicht auf. Trainiert seinen verstümmelten Körper, auch ohne dass er die Welt sehen kann, bis er Medaillen im Schwimmen gewinnt. Und trifft auf die Liebe seines Lebens, eine junge kurdische Frau, die er 2014 heiratet: Sarveh Amini. Vier Monate nach der Hochzeit beginnt der iranische Fotojournalist Sasan Moayyedi, das Leben des Paares zu begleiten, bis heute.
Die internationale Jury bezeichnete Moayyedis Reportage „Love Story“ als „die Geschichte eines privaten Friedens, der die Kraft hat, über den Krieg zu siegen“.
Das mit 1000 Euro dotierte beste Friedensbild in der Kinder- und Jugendkategorie, unterstützt von der Vienna Insurance Group, gewann die 14-jährige Anastasiya Bolshakova. Ihr Foto, „Flight of the Soul“ ist eine Liebeserklärung an den Sommer. An die Zeit, in der, wie sie überzeugt ist, „alles lebt“ und „die Natur aus voller Brust atmet“. An die Zeit, in der alles „für die Schönheit bereit“ sei. In der die Blumen duften. Eine Zeit des Müßiggangs und der Glückseligkeit. Frei von jeder Beschwernis. Aus einer friedlichen Kindheit in friedlicher Landschaft. Ein bisschen traumwandlerisch, sehr leicht, sehr luftig. Beseelt vom Gefühl, gefahrlos zwischen Himmel und Erde fliegen zu können.
Der Preis wurde von Frau Prof. Elisabeth Stadler, CEO der Vienna Insurance Group (VIG), übergeben: „Für die Vienna Insurance Group ist die Übernahme sozialer und kultureller Verantwortung ein besonders wichtiges Anliegen. Wir unterstützen interkulturelle Vielfalt und Verbindungen, wobei hier besonderes Augenmerk auf Kinder und Jugendliche gelegt wird.“
In seiner Begrüßung sagte Wolfgang Sobotka, der Präsident des Österreichischen Nationalrates, er schätze sich glücklich, dass der Global Peace Photo Award in den Räumen des Österreichischen Parlaments vergeben werde – die sich dieses Mal allerdings für die zwei Stunden der Preisverleihung in eine Bühne im Kurpark von Baden bei Wien als Ausweichquartier verwandelten, dafür aber in den Rahmen des Festival La Gacilly-Baden Photo integriert sind, wo die preisgekrönten Bilder ausgestellt sind und damit noch bis 17. Oktober von rund 300.000 Besuchern gesehen werden können.
Und Sobotka weiter: „Die Fotografie als ein ganz besonderes Kunstmedium hat mit ihren Mitteln den Auftrag, uns voranzugehen und unsere Sensibilitäten zu wecken. Was uns diese Bilder heute Abend mitgeben, ist das, was wir als Innehalten bezeichnen. Das braucht unsere Republik, das braucht die Welt als Gesamtes und das braucht jeder einzelne Mensch. Denn jeder ringt darum, dass er für sich, für seine Familie, für seine Umgebung in Frieden leben möchte und sich bestmöglich verwirklichen kann. Die Fotografie versteht, diese Augenblicke einzufangen und uns unvermittelt zu präsentieren. Und dafür bin ich auch persönlich dankbar.“
Lois Lammerhuber, der gemeinsam mit seiner Frau Silvia Lammerhuber den Global Peace Photo Award initiiert hat, erinnerte daran, dass „Frieden nicht die Abwesenheit von Krieg ist, sondern etwas, das ich als Gelungenes Leben bezeichnen möchte“.
Auf Einladung von Barbara Trionfi, der Direktorin des International Press Institute (IPI), sagte Márton Gergely, Chefredakteur der ungarischen Wochenzeitung HVG, in einer berührenden Rede: „Wir arbeiten in einer Zeit, in der die Mächtigen unliebsame Medien als Fake News abkanzeln und Journalisten und Journalistinnen zum Feind erklären. Sie unterstellen Medienschaffenden, in Wahrheit politische Akteure zu sein, die im Dienste der Ideologie Lügen verbreiten. Sie tun das, weil sie wissen: Echte Journalisten können auf ihre Provokation nur sehr begrenzt antworten. Journalisten sind der Wahrheit verpflichtet. Wir machen all das, weil wir am Ende mit unseren Namen für die Wahrheit unserer Inhalte einstehen. Die Mächtigen dieser Welt sind das leider nicht.“
Im September 2019 gab es die letzte Preisverleihung. Seitdem sind in der Welt 91 Journalistinnen und Journalisten, Fotoreporterinnen und Fotoreporter getötet worden. Danish Siddiqui war Foto-Chef von Reuters in Indien. Er starb vor vier Tagen in einem Hinterhalt der Taliban in Afghanistan. Einen Tag zuvor haben wir Peter de Vries verloren. Er wurde niedergeschossen – mitten in Amsterdam feuerten die Killer auf ihn. Nur Tage zuvor starb Alexander Lashkarava an seinen Verletzungen. Er wurde von rechtsradikalen Schlägern verprügelt, als er von einem Anti-LGBTQ Marsch berichten wollte.
Der diesjährige Vorsitzende der 25-köpfigen Jury Pascal Maitre aus Frankreich musste krankeitsbedingt von Lars Boering vertreten werden, dem Direktor des European Journalism Center in Maastricht. „Es ist einfach, ein Bild aufzunehmen, aber eine Geschichte durch ein Bild zu erzählen, ist viel schwieriger und vor allem, eine Geschichte durch eine Serie von Fotos zu erzählen. Das ist ein magischer Vorgang. Was wir als Jury versuchen zu finden, hat eine Bedeutung — Frieden! Ich bin Jurymitglied und glücklich, dies zu tun. Ich denke, dieser Preis ist eine großartige Initiative. Denn ich kann mit Sicherheit sagen, dass die Fotos, die wir ausgezeichnet haben, etwas für die Welt bedeuten.“
Die Begründung der Jurymitglieder aus acht Nationen für die insgesamt sechs Auszeichnungen formulierte der langjährige GEO-Chefredakteur Peter-Matthias Gaede aus Hamburg.
David Beasley, der Exekutivdirektor des UN World Food Programme, das 2020 mit dem Friedensnobelpreis 2020 ausgezeichnet wurde, hielt eine flammende Rede. Er sagte, er sei überzeugt, dass es möglich sei, den Welthunger zu beenden, aber nur der Frieden könne den Weg ebnen: „Der Hunger nimmt rund um den Globus zu, und die Hauptursache bleiben Konflikte. Konflikte schaffen Hunger, und Hunger schürt wiederum Konflikte.
Es ist ein Teufelskreis, der durch den Klimawandel und die Pandemie verstärkt wird, und wir müssen ihn durchbrechen! Die Siegerbilder erinnern daran, dass Liebe und Mitgefühl die Wunden des Krieges heilen und Hoffnung geben können. Ich habe Hoffnung auf eine bessere Zukunft, und das treibt mich und meine engagierten WFP-Kolleg*innen, die an den Fronten des Kampfes gegen den Hunger arbeiten, an. Die Menschheit ist gesünder, reicher und wissender als je zuvor. In den letzten 200 Jahren haben nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Entwicklung Milliarden von Menschen aus der Armut geholt. Wenn wir alle zusammenstehen, von einzelnen Spendern über Regierungen bis hin zu Milliardären, die ins Weltall fliegen, können wir dem Hunger in dieser Welt ein Ende setzen. Gott sei Dank gibt es Fotografen, die uns helfen, den Nebel zu lichten, damit wir die Realität erkennen können. Denn wenn wir die Wahrheit sehen, werden die Herzen berührt und die Menschen reagieren."
Zum Global Peace Photo Award 2020 wurden 19.711 Bilder aus 118 Ländern eingereicht. Die meisten Einreichungen kamen aus Russland, China, Indien, Deutschland und dem Iran. Juriert wurden die Einreichungen von einer hochkarätigen, internationalen Jury bestehend aus Fotografen, Blattmachern und Repräsentanten von Fotoverbänden, des World Press Photo Awards, des Deutschen Jugendfotopreises und der UNESCO.
Neben der Vergabe des „Friedensbild des Jahres“ an Sasan Moayyedi gingen Alfred-Fried-Friedensmedaillen 2020:
An den belgischen Fotografen Alain Schroeder für seine Arbeit „Saving Orangutans“ über die Teams des Orangutan Information Center, der Human Orangutan Conflict Response Unit und des Sumatran Orangutan Conservation Programme. Ihre Mission: Frieden mit jenen Geschöpfen des Waldes, die 97 Prozent ihres Genmaterials mit uns Menschen teilen. Alain Schroeder zeigt in sehr anrührenden Bildern, was es bedeutet, zu retten, was noch zu retten ist. Er zeigt dramatische Nothilfe-Aktionen an verletzten und kranken Tieren, Operationen, Infusionen, Zuwendung, Erbarmen mit der gequälten Kreatur. Er zeigt die Dankbarkeit und die Innigkeit, zu der Menschenaffen fähig sind.
An die französisch-spanische Fotografin Catalina Martin-Chico für ihre empathischen Bilder „(Re) Birth“ über neues Leben nach dem Tod von 260 000 Menschen. Die Freiheit, zu lieben nach all den Verboten. Behüten statt kämpfen. Als es nach einem halben Jahrhundert Krieg in Kolumbien zu einem Abkommen zwischen marxistischer FARC-Guerilla und Regierung kommt, das Töten in den Wäldern zu beenden, beginnt in den Verstecken der ehemaligen Kämpfer, beginnt in 26 eingerichteten Übergangssiedlungen ab 2017 so etwas wie Normalität. Deren ganz besonderes Zeichen ist eine kleine Geburtenwelle.
An den in Nigeria beheimateten Emeke Obanor für seine Arbeit „Heroes“ über nigerianische Mädchen, die von der nigerianischen Terror-Truppe Boko Haram entführt und einer Gehirnwäsche unterzogen worden waren, um sich von jeglichem Wunsch abzuwenden, als Mädchen eine Schulbildung zu erhoffen. Sie wurden bei Aktionen des nigerianischen Militärs befreit. Oder konnten fliehen, als man sie mit Bombengürteln auf Suizid-Aktionen aussandte. Nun sind sie wenigstens wieder frei. Und zurück in der Schule. Zurück an einem Ort, an dem sie lernen und klüger werden dürfen. Wo sie lesen, schreiben und mit Zahlen umgehen dürfen. Aus dem Krieg zurück im Frieden sind sie. Wenn auch noch sicher traumatisiert. Aber einige von ihnen haben sich die Kraft erhalten, an ihren Träumen festzuhalten. 16 oder 17 Jahre alt sind sie. Wollen Krankenschwester werden oder Lehrerin.
An den in Beirut geborenen dänischen Fotografen Nicolas Asfouri für seine Arbeit „Hongkong Unrest“: Es ist das Jahr 2019 in Hongkong. Gemäß der 1997 zwischen China und Großbritannien getroffenen Vereinbarung ist die ehemalige britische Kronkolonie zwar bereits Bestandteil Chinas, soll aber noch bis 2047 einen weitgehenden Autonomie-Status behalten: „Ein Land, zwei Systeme“. Doch der laufend größer werdende Zugriffsversuch Festland-Chinas manifestiert sich in diesem Jahr 2019 unter anderem in einem von seiner Statthalterin erarbeiteten Gesetzesentwurf, der die Auslieferung von Systemgegnern an das Pekinger Regime ermöglichen soll. Dagegen gehen Schüler und Studenten auf die Straße, junge Frauen und Männer. Dann immer mehr Menschen, eine Pro-Demokratie-Bewegung, überwiegend friedlich, teils auch militant, die immer gewalttätiger von Polizeikräften unterdrückt wird, mit Knüppeln und Tränengas zunächst, später auch mit scharfer Munition.
Der Global Peace Photo Award wird in Kooperation von Photographischer Gesellschaft (PHG), Edition Lammerhuber, UNESCO, Österreichischem Parlament, der Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und -redakteure, des Internationalen Press Institute (IPI), des Deutschen Jugendfotopreises und der World Press Photo Foundation ausgelobt. www.friedaward.com
Inspiriert wurde der Preis von dem österreichischen Pazifisten und Schriftsteller Alfred Fried (* 11. November 1864 in Wien; † 4. Mai 1921 in Wien). Fried wurde 1911 gemeinsam mit dem Organisator der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Tobias Asser der Friedensnobelpreis verliehen.
Foto: Edition Lammerhuber
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