Mathematiker Adrian Constantin zu Österreichs neuem Wittgenstein-Preisträger gekürt

Wissen & Technik

FWF zeichnet Spitzenforscher aus

Mathematiker Adrian Constantin zu Österreichs neuem Wittgenstein-Preisträger gekürt

18. Jun. 2020 | Wien

Österreichs höchstdotierte Wissenschaftspreise sind vergeben: Der Wissenschaftsfonds FWF zeichnet auf Empfehlung einer internationalen Fachjury acht Preisträgerinnen und Preisträger – einen Wittgenstein-Preis sowie sieben START-Preise – aus. Wissenschaftsminister Heinz Faßmann und FWF-Präsident Klement Tockner übergaben heute den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Wittgenstein-Preis an den Mathematiker Adrian Constantin, der damit seine Forschung an der Weltspitze weiter ausbauen wird. Insgesamt bringt der FWF durch die Wittgenstein- und START-Programme Forschungsvorhaben mit einem Investitionsvolumen von 9,5 Millionen Euro ins Rollen.

Wittgenstein-Preisträger 2020

Adrian Constantin ist seit 2008 Professor am Institut für Mathematik der Universität Wien. Die Forschungsbereiche des gebürtigen Rumänen umfassen nichtlineare, partielle Differentialgleichungen im Bereich der Fluid-Bewegungen sowie daran anschließende mathematische Beschreibungen von Naturphänomenen. Seit 2010 rangiert Constantin unter den „ISI Highly Cited Researchers“ der 250 meistzitierten Wissenschaftler/innen im Bereich Mathematik. Adrian Constantin ist Träger zahlreicher Preise und Ehrungen, wie des Göran-Gustafsson-Preis der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, des Friedrich-Wilhelm-Bessel-Preis der deutschen Humboldt-Stiftung sowie eines ERC Advanced Grant. Im Rahmen eines WWTF-Projekts untersucht er derzeit Wasserwellen mit Wirbelverteilung, die für die Vorhersage von Tsunamis relevant sind.

Erde mit all ihren Wellen und Strömungen verstehen

In Atmosphäre und Ozeanen laufen zahlreiche großformatige Bewegungen ab, die sich als Strömungen oder Wellen beschreiben lassen. Bisherige Modellierungen sind allerdings stark vereinfachend und lassen viele geophysisch relevante Aspekte unberücksichtigt. Adrian Constantin möchte mithilfe des Wittgenstein-Preises diese Lücken schließen und detaillierte mathematische Beschreibungen der physikalischen Vorgänge vorlegen.

Jurybegründung: Bahnbrechende Beiträge zur Mathematik

„Adrian Constantin hat bahnbrechende Beiträge zur Mathematik der Wellenausbreitung geleistet“, so die START-Wittgenstein-Jury in ihrer Begründung. Dabei eröffneten seine Untersuchungen und die von ihm entwickelten Verfahren neue Forschungsrichtungen und fanden Anwendung bei einer Vielzahl von Wellenphänomenen, die wir in der Natur beobachten, wie beispielsweise Tsunamis. Besonders hervorgehoben wurden seitens der Jury die zahlreichen Top-Nachwuchsforscherinnen und -forscher, die in seinen Forschungsgruppen erfolgreich ausgebildet werden.

Wissenschaftsminister Heinz Faßmann und FWF-Präsident Klement Tockner: Wittgenstein-Preis eröffnet neue Möglichkeiten für Forschung an der Weltspitze „Ich möchte Wittgenstein-Preisträger Adrian Constantin sowie den sieben mit den START-Preisen ausgezeichneten Forschenden ganz herzlich gratulieren“, so Wissenschaftsminister Heinz Faßmann, der die Bedeutung der beiden Preise für das Forschungsland Österreich unterstreicht. „Der ‚Austro-Nobelpreis‘ schafft viel Freiraum, um hier in Österreich an der Weltspitze forschen und exzellente Teams aufbauen zu können. Solche Forschungsleistungen auf international höchstem Niveau liefern nicht nur bahnbrechende Erkenntnisse, sondern auch wertvolle Impulse für den Forschungs- und Innovationsstandort Österreich“, so der Bundesminister.

„Der Wittgenstein-Preis ist die Bestätigung eines herausragenden wissenschaftlichen Lebenswerks, das im Falle von Adrian Constantin noch viele weitere exzellente Arbeiten erwarten lässt“, so FWF-Präsident Klement Tockner, der auf die Aktualität von Constantins Forschung hinweist: „Adrian Constantins Forschungen tragen dazu bei, das Ausmaß von Klimaphänomenen wie El Niño oder Naturkatastrophen wie Tsunamis besser vorhersagen zu können. Er leistet auf seinem Gebiet Grundlagenforschung, die weltweit gefragt ist und sich unmittelbar auf die Praxis auswirkt“, so Tockner abschließend.

Internationale Fachjury mit zwei Nobelpreisträgern

Die START-Wittgenstein-Jury besteht aus zwölf Spitzenforscherinnen und Spitzenforschern, darunter befinden sich mit Bruce Beutler (2011, Physiologie/Medizin) und Stefan Hell (2014, Chemie) auch zwei Nobelpreisträger. „Adrian Constantins Forschungen, wie sich Wellen brechen, haben den Grundstein für die rigorose mathematische Untersuchung von Singularitäten in den nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen von Flüssigkeitsströmungen gelegt. Die Werkzeuge, die er entwickelt hat, haben Anwendungen in einer Vielzahl von Wellenphänomenen gefunden, die wir in der Natur beobachten, wie zum Beispiel Tsunamis. Seine jüngsten Forschungsinteressen konzentrieren sich auf große geophysikalische Strömungen, wo er bereits grundlegende Ergebnisse von praktischer Bedeutung erzielt hat“, so Juryvorsitzende Janet Wolff (University of Manchester, UK) zum diesjährigen Wittgenstein-Preisträger.

Österreichs höchstdotierter Wissenschaftspreis

Der Wittgenstein-Preis richtet sich an exzellente Forscherinnen und Forscher aller Fachdisziplinen. Die mit 1,5 Millionen Euro dotierte Auszeichnung unterstützt die Forschung des Preisträgers und garantiert Freiheit und Flexibilität bei der Durchführung. Forschende können so ihre Forschungstätigkeit auf international höchstem Niveau vertiefen.

Lernen Sie Österreichs neuen Wittgenstein-Preisträger kennen Ein Interview mit Adrian Constantin, ein kurzes Video sowie eine Bildergalerie des Preisträgers und Bilder der Urkundenübergabe mit Bundesminister Heinz Faßmann und FWF-Präsident Tockner finden Sie hier.

START-Exzellenzförderungen: Je 1,2 Millionen Euro für aufstrebende Spitzenforscher/innen aus Graz, Leoben, Innsbruck und Wien Neben dem Wittgenstein-Preis vergab der Wissenschaftsfonds FWF auch die diesjährigen START-Exzellenzförderungen. Insgesamt sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten in dem hochkompetitiven Auswahlprozess aus 111 Anträgen reüssieren. Das Antragsvolumen betrug in Summe 129 Millionen Euro, davon kamen rund 50 Prozent aus dem Bereich „Naturwissenschaften und Technik“, 30 Prozent aus dem Bereich „Biologie und Medizin“ sowie 20 Prozent aus den „Geistes- und Sozialwissenschaften“. Die sieben geförderten Projekte, fünf davon werden von Frauen geleitet, kommen aus allen Fachdisziplinen und werden mit jeweils bis zu 1,2 Millionen Euro gefördert. Das START-Programm richtet sich an aufstrebende Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell abgesichert ihre Forschungen zu planen.

Die neuen START-Preisträger/innen im Überblick Alice Auersperg

Veterinärmedizinische Universität Wien
Messerli Forschungsinstitut
„Innovativer Werkzeuggebrauch in einem Papagei“
Wie haben wir angefangen, Objekte als Werkzeuge zu verwenden? Um unsere eigene technischen Evolution besser zu verstehen, ist es wichtig die Hintergründe von Werkzeuggebrauch an Tieren zu erforschen. Vergleiche mit entfernt verwandten Tierarten, die ähnliche Fähigkeiten besitzen, können dabei äußerst informativ sein. Obgleich uns von dem Goffini-Kakadu mehr als 300 Millionen Jahre Evolution trennen, kann er auf ähnlichem Level wie höherer Primaten spezifische Werkzeuge benutzen und sogar herstellen. Dieses Projekt wird die auslösenden Umstände von Werkzeuggebrauch bei einem Nicht-Primaten von mehreren Perspektiven vergleichend untersuchen. Ziel ist, ein neues Modell für die Rahmenbedingungen für die Entstehung von Werkzeuggebrauch auszuarbeiten.

Elisa Davoli

Technische Universität Wien
Institut für Analysis und Scientific Computing
„Smart Materialien: Geometrie, Nichtlokalität, Chiralität“
Abstimmbare (oder intelligente) Materialien sind eine besondere Klasse von Metamaterialien, die ihre Reaktion entsprechend den Merkmalen der äußeren Umgebung anpassen können. Als solche gelten sie als die Zukunft für die optische Datenverarbeitung, Quanteninformation und Technologien der nächsten Generation. Das Projekt zielt auf drei grundlegende Fragen ab: Wie wird die effektive Materialantwort eines intelligenten Materials durch die Geometrie seiner Komponenten beeinflusst? Wie interagieren nicht-lokale Effekte mit zeitlich veränderlichen Phasenübergängen und mit dem möglichen Auftreten von Mikrostrukturen? Wie interagieren die chiralen Eigenschaften eines aktiven Metamaterials mit seiner makroskopischen Abstimmbarkeit?

Gemma De las Cuevas

Universität Innsbruck
Institut für Theoretische Physik
„Universelle Spinmodelle, Turingmaschinen und neuronale Netze“
Das Hauptziel dieses Projekts ist es, die Beziehung zwischen universellen Spinmodellen und universellen Turingmaschinen sowie zwischen universellen Spinmodellen und Universalität in neuronalen Netzen zu entdecken und ihre Implikationen zu erforschen. Dieses Projekt wird klassische Spinmodelle, Maschinen und neuronale Netze auf die gleiche Stufe stellen, indem es strenge Verbindungen zwischen ihnen und ihren Konzepten der Universalität herstellt. Dies wird zu einer gegenseitigen Befruchtung von Ideen, Beweisen, Effizienz- und Begrenzungsergebnissen zwischen diesen bisher eher unverbundenen Disziplinen führen.

Robert Ganian

Technische Universität Wien
Institut für Logic and Computation
„Parametrisierte Analyse in der Künstlichen Intelligenz“
Die parametrisierte Komplexitätstheorie ist ein gut etabliertes Paradigma, das für die feinkörnige Analyse von Rechenproblemen verwendet wird. Es hat in zahlreichen Bereichen der Informatik großen Erfolg gehabt, doch existieren in der künstlichen Intelligenz (KI) und dem maschinellen Lernen (ML) deutliche Mängel in der Grundlagenforschung. Das Ziel dieses Projekts ist es, dies zu ändern und einerseits einen parametrisierten Werkzeugkasten für Probleme der KI und ML zu entwickeln sowie andererseits eine Theorie der parametrisierten Stichprobenkomplexität zu etablieren. Dadurch wird das Projekt unser Verständnis dafür drastisch verbessern, welche KI und ML Probleme effizient gelöst werden können.

Julia Lajta-Novak

Universität Wien
Institut für Anglistik und Amerikanistik
„Poesie des Sprechens: Britische Lyrik-Performance, 1965-2015“
Das Projekt untersucht die Bedeutung des Lyrikvortrags für die jüngere britische Literaturgeschichte unter Berücksichtigung des ästhetischen und semantischen Potenzials der mündlichen Darbietung, der alternativen institutionellen Strukturen, Publikationskanäle, Karrierewege, Präsentationsformate, Stile und poetischen Gattungen, die aus der Performance-Szene hervorgegangen sind. Damit wird ein Prototyp und Werkzeugkasten für einen neuen Zweig der historisch-literarischen Forschung auch jenseits des britischen Kontexts bereitgestellt. Das Projekt wird wesentliche Grundlagenarbeit leisten, um die Performance-Forschung für Lyrik als einen interdisziplinären Forschungszweig international zu etablieren.

Aleksandar Matkovic

Montanuniversität Leoben
Institut für Physik
„Der unüberwindliche EISEN-TALK: 2D-magnetische Schichten“
Seit der Entdeckung von Graphen, dem ersten isolierten zweidimensionalen (2D) Material, dauerte es noch mehr als ein Jahrzehnt, bis Ferromagnetismus in 2D-Materialien nachgewiesen wurde, allerdings nur bei tiefen Temperaturen und fehlender Stabilität an Luft. Zur Überwindung dieser Nachteile zielt das Projekt auf die Erforschung von Eisen-reichen Talkkristallen und Schicht-Hydroxiden – seltene Mineralien, die bisher auf der Suche nach magnetischen Einzellagen übersehen wurden. Mit dem gewonnenen Wissen ist die Züchtung synthetischer magnetischer Schichtsilikat-Einzellagen geplant. Die Resultate lassen einen Durchbruch auf dem Gebiet des 2D-Magnetismus und neue Anwendungen von Datenspeicherung bis hin zu Biotechnologie erwarten.

Birgitta Schultze-Bernhardt

Technische Universität Graz
Institut für Experimentalphysik
„ELFIS – Elektronische Fingerprint Spektroskopie“
Photochemische Prozesse, bei denen Atome und Moleküle unter Einwirkung von Licht neue Verbindungen eingehen, sind für unser Leben von größter Bedeutung. Obwohl dabei insbesondere UV-Strahlung die relevanten elektronischen Anregungen am Anfang einer Reaktion auslöst, sind spektroskopische Informationen in diesem Spektralbereich bisher häufig unzureichend. Gestützt auf modernste Entwicklungen der Lasertechnologie wird ELFIS mit einer beispiellosen Kombination aus Femtometer spektraler und Femtosekunden zeitlicher Auflösung die Absorptionsspektroskopie in diesem Frequenzbereich erweitern und verspricht einen neuen Blick auf die lichtinduzierte Dynamik in Molekülen, was von unmittelbarer Relevanz sowohl für die Grundlagenforschung als auch die Umweltsensorik ist.

Lernen Sie Österreichs neue START-Preisträger/innen kennen

Interviews mit allen START-Preisträgerinnen und -Preisträgern, eine Bildergalerie der Preisträgerinnen und -Preisträger sowie Bilder der Urkundenübergabe mit Bundesminister Heinz Faßmann und FWF-Präsident Klement Tockner finden Sie hier.

FWF Der Wissenschaftsfonds

Der FWF ist Österreichs zentrale Einrichtung zur Förderung der Grundlagenforschung sowie der künstlerisch-wissenschaftlichen Forschung. Er unterstützt – nach internationalen Qualitätsmaßstäben – herausragende Forschungsprojekte sowie exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich der Gewinnung, Erweiterung und Vertiefung wissenschaftlicher Erkenntnisse widmen.
Quelle: APA-OTS

Fotos: FWF_Luiza Puiu

Text: Presse - FWF - Der Wissenschaftsfonds, 18. Jun. 2020

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